Ungleich verteilter, unbezahlter (Care-) Arbeit begegnen: AfB-Mitarbeiter zeigen, dass es geht

07.03.2024

Frauen in Deutschland haben im Jahr 2022 pro Woche durchschnittlich rund 9 Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer, das entspricht 1 Stunde und 17 Minuten pro Tag.

Milan und Michael auf einem blauen Banner mit dem Titel "Gender Care Gap" und der Beschreibung: "Interview: Zwei Väter zeigen, dass es anders geht".
Diagramm mit dem Titel "Unbezahlte Arbeit 2022". Es bildet einen Vergleich der Arbeitszeit zwischen Frauen, Männern und Insgesamt ab.

Der Gender Care Gap lag damit bei 43,8 %. Das zeigen die Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung (ZVE) 2022, die das Statistische Bundesamt Ende Februar 2024 veröffentlicht hat.

Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn man die Verteilung von Erwerbsarbeit vs. unbezahlter Arbeit bei Familien bzw. bei Paaren ohne Kinder betrachtet. Sobald ein Kind oder mehrere Kinder in Paar-Beziehungen kommen, verändern sich viele Rahmenbedingungen. Die Zahlen zeigen etwa, dass Eltern pro Woche rund 11 Stunden mehr arbeiten als Personen ohne Kinder. Die Zeit für Erwerbsarbeit sinkt vor allem bei Müttern deutlich – im direkten Vergleich zu Vätern.

Aber warum ist das so?

Bei AfB gibt es zwei Männer, die es anders machen: Milan und Michael vollziehen bewusst den Rollenwechsel und gehen dabei ihre ganz eigenen Wege. Inspiriert vom Buch der Autorin Fränzi Kühnle „Was Männer nie gefragt werden“ haben wir ihnen Fragen gestellt, die in der Erfahrung vieler Frauen oft nur weiblichen Angestellten bzw. Bewerberinnen (auf Führungspositionen) gestellt werden und die in Bezug auf Rollen-Klischees tief blicken lassen.  

Kannst du für andere Männer ein Vorbild sein?

Michael: Ich denke schon, aber da muss ja jeder für sich entscheiden, wen er sich zum Vorbild machen möchte. Manche meinen, man müsse die Karriere für die Familie aufgeben. Ich sehe die Möglichkeit, viel Zeit mit meiner Familie verbringen zu können, als mein bisher größtes erreichtes Karriereziel.

Milan: Ich würde es mir wünschen, weiß aber nicht, ob die Gesellschaft, Arbeitswelt, usw. das gleiche Verständnis von Familienzeit und ihrem Mehrwert hat. Zumindest erlebe ich es tagtäglich nicht so.

Haben deine optischen Attribute deine Karriere beeinflusst?

Michael: Klar, sichtbare Tattoos waren vor 17 Jahren noch eine absolute Ausnahme und der buntgefärbte Irokesenschnitt ist glaube ich auch heute noch eher schwierig im Einstellungsverfahren ? Bei den genannten eher extremen Attributen macht es vermutlich wenig Unterschied, ob es um Mann/Frau/Divers geht. Heutzutage würden die Tattoos wahrscheinlich niemanden mehr stören. Mann/Frau/Divers wäre aber je nach Job oder Position leider immer noch ein Thema.

Wie bringst du Familie und Karriere unter einen Hut?

Michael: Sombrero! Spaß ;-) Also bisher war ich ja die meiste Zeit in Elternzeit, entweder Teilzeit oder jetzt wieder Vollzeit. Ich denke, wenn ich wieder Vollzeit (bei AfB) arbeite, werden wir uns arrangieren müssen. Die moderne Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitszeiten und mobilem Arbeiten ist zwar zum Glück schon viel familienfreundlicher geworden, aber mit Abzügen auf der einen oder anderen Seite werden wir rechnen müssen.

Milan: Überhaupt nicht. Seitdem ich 50 Prozent meiner Prioritäten auf die Familie gelegt habe, – d.h. meine Arbeitszeit um 50 Prozent reduziert habe – musste ich die Entwicklung meiner Karriere innerhalb der Arbeitswelt aufgeben. Das Verständnis dafür außerhalb meiner Familie ist sehr durchwachsen. Innerhalb der Arbeitswelt werde ich regelmäßig darauf hingewiesen, dass ich ja selbst schuld bin, dass ich jetzt nicht mehr alles mitbekomme, schließlich habe ich ja reduziert.

Wie hat dein berufliches Umfeld auf deine Vaterschaft reagiert?

Michael: Überwiegend positiv, auch wenn klar war, dass sich dadurch auch beruflich viel ändern wird. Da war aber auch so etwas wie Elternzeit, vor allem für einen langen Zeitraum, nicht geplant. Meine Position und die Situation bei AfB hätten das damals nicht hergegeben.

Milan: Die meisten freuen sich mit und für einen. Viele haben Verständnis für Elternzeit – wenn diese sich um die „Pflichtzeit“ von ein bis zwei Monaten dreht. Das Verständnis hört schlagartig auf, wenn ich erzähle, dass ich über die nächsten Jahre hinweg Teilzeit in Elternzeit arbeiten werde.

Wer passt eigentlich (gerade) auf die Kinder auf?

Milan: Tatsächlich meine Frau, zumindest an 2,5 Tagen die Woche. An den anderen 2,5 Tagen bin ich zu Hause bei unseren Kids. Wir haben gemerkt, dass zwei dazu gehören, um Kids zu bekommen. Beide haben studiert, beide wollen beides und so haben wir es umgesetzt. Wir scheinen hier aber eine falsche Richtung eingeschlagen zu haben, denn wir sind gefühlt allein mit der Meinung und Umsetzung. ;-)

Hast du das Gefühl, dass du für deine Karriere persönlich viel opfern musstest?

Michael: Früher ja, vor allem Zeit, jetzt mit in der Elternzeit bisher nicht. Ich hoffe das kann so bleiben. Vermutlich wird es das nicht, sollte ich mich in Zukunft entscheiden müssen, bekommt die Familie immer den Vorrang..

Milan: Die Frage müsste lauten: Hast du das Gefühl, dass du für deine Karriere viel Zeit mit deiner Familie opfern musstest? Die Kids beim Aufwachsen zu erleben kann ich nicht verschieben und nachholen. Meine Karriereentwicklung kurzfristig hintenanzustellen, zu pausieren, ist die einzig und in unseren Augen richtige Lösung.


Bei AfB bist du Führungskraft. Diese Rolle hast du dir grundlegend zugetraut, als du sie angetreten hast?

Milan: Sich zuzutrauen, trotz Führungsrolle seinen Weg und seinen Interessen nachzugehen, war viel schwieriger. Dennoch haben beide Arbeitgeber einen gemeinsamen Weg hierfür gefunden.

Fühlst du dich als Exot?

Michael: Schon immer, ja. Speziell wegen der Elternzeit jetzt, nein, obwohl auch das im Alltag manchmal auffällt.

Milan: Ohja! Ich kenne noch immer keine Familie, die auch ein 50-50 % Modell fährt – zugunsten der Familienzeit. Meist auch, da man sich dies wirtschaftlich auch leisten möchten muss.

Vielen Dank für eure Antworten!

 

Ihren Antworten zufolge sind es u.a. unklare Erwartungshaltungen an Vorbilder wie Michael und Milan, finanzielle Gründe und unausgesprochene Vorbehalte hinsichtlich der Hürden, die für eine faire Verteilung von unbezahlter Arbeit überwunden werden müssen.

Milan hat AfB im Jahr 2004 mit aus der Taufe gehoben und viele Jahre sowohl in verschiedenen Verantwortungen und Positionen als auch in engem Verhältnis mit der Geschäftsleitung mit aufgebaut. Derzeit leitet er in Teilzeit das vierköpfige Prozessteam bei AfB, dem auch Michael (aktuell in Elternzeit) angehört. In einem internen Interview sagte er einmal: „Ich bin AfB sehr dankbar. AfB bedeutet für mich viel Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit, mitentwickeln, wachsen sehen.“

Michael ist seit 2008 bei AfB und ebenfalls durch viele Aufgaben mit und in dem Inklusionsunternehmen gewachsen. Eingestiegen als „1-Euro-Jobber“ und mit der Erfahrung, ein Jahr ohne festen Wohnsitz verbracht zu haben, ist er heute Mitarbeiter im Prozessteam.

Die Geschichten der beiden zeigen: AfB steht für gelebte Vielfalt. Vielfalt in allen Dimensionen, wie sie vom Verein „Charta der Vielfalt“ beschrieben wird: soziale Herkunft, Alter, ethnische Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung und sexuelle Orientierung.

Vielfalt allein wird das ungleiche Verhältnis von unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern nicht lösen. Aber vielleicht kann es mit ihr einfacher gelingen?!

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