Tag der digitalen Barrierefreiheit: Interview mit Chris Schmidt von Eye-Able
15.05.2024
Eye-Able ist ein Tool, das hilft, Webseiten barrierefreier zu machen. Auch AfB nutzt die Anwendung. Geschäftsführer Chris Schmidt gibt uns Einblicke in die Welt der digitalen Barrierefreiheit.
Wie seid ihr auf die Idee mit Eye-Able gekommen?
Die ursprüngliche Idee für Eye-Able hatte Oli (Oliver Greiner), dessen Freund wegen einer genetisch bedingten Netzhautablösung gezwungen war, sein Studium zu beenden. Das war unser Anlass, etwas zu unternehmen. Bildung ist für alle da und ein Menschenrecht.
Beim Versuch, für den Freund eine Assistenzsoftware zu programmieren, begriffen wir schnell, dass es viele Menschen wie ihn gibt. Und viele verschiedene (Seh-)Behinderungen. Unsere Story hört sich zwar an wie ein Einzelschicksal, doch das Thema Sehbeeinträchtigung ist allgegenwärtig und gewinnt in einer immer älter werdenden Gesellschaft zunehmend an Bedeutung
Wie macht Eye-Able die digitale Welt zugänglicher?
Wir sprechen mit Menschen, die jeden Tag auf Barrieren stoßen. Das macht unseren Ansatz so einzigartig. Alles, was wir tun, geht von den Menschen aus. Ein Beispiel:
Die Assistenzsoftware, mit der wir angefangen haben, haben wir gemeinsam mit dem Berufsförderungswerk Würzburg und der Blindeninstitutsstiftung im Labor entwickelt. Dabei haben wir geschaut, welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderung bei der Bedienung von Webseiten überhaupt begegnen. Die Farben sind schlecht? Also brauchen wir einen Kontrastmodus. Die Funktionen von Eye-Able entstehen aus dem Bedarf.
Was ist euer Anliegen mit Eye-Able?
Unser großes Ziel ist, dass überall in der digitalen Welt digitale Barrierefreiheit mitgedacht wird. Es ist kein Nischenthema für Sensibilisierungstage. Jeden Tag sollte an Menschen mit Behinderung gedacht werden. Sie sind ein ganz normaler Bestandteil unserer Gesellschaft und müssen online teilhaben können. Daran arbeiten wir tagtäglich.
Was hat sich bei Eye-Able seit der Gründung getan? Vor welchen Herausforderungen standet ihr oder steht ihr noch?
Die erste große Herausforderung nach der Gründung 2020 war, uns am Markt zu behaupten. Wir wurden immer wieder gefragt: Warum macht ihr etwas für Menschen und nichts mit KI? Warum ein soziales Projekt, gibt es dafür überhaupt einen Markt?
Wir wollten zeigen, ähnlich wie ihr bei AfB das ja auch macht, dass sich Wirtschaftlichkeit und Soziales nicht im Weg stehen und dass man auch mit sozialen Projekten am Markt ernst genommen werden kann und darf. Mittlerweile hat Eye-Able 70 Mitarbeitende an vier Standorten in drei Ländern.
Was ist in der Zukunft noch bei Eye-Able geplant?
Wir haben noch sehr viel vor, z.B. Sensibilisierungscenter in fast allen europäischen Metropolen, also einen Raum der Begegnung, in dem Menschen mit und ohne Behinderung zusammenkommen und gemeinsam erleben, wie digitale Barrierefreiheit funktioniert.
Was bedeutet Inklusion für dich?
Für mich bedeutet Inklusion, dass es ganz egal ist, wo du herkommst, wer du bist und was dich ausmacht – du wirst wahrgenommen und als Teil der Gesellschaft gesehen. Inklusion ist nicht nur für Menschen mit Behinderung wichtig, sondern für alle Menschen. Alle sollten in einem ehrlichen Miteinander nebeneinanderstehen. AfB als größtes Inklusionsunternehmen Europas ist ein tolles Beispiel. Ich bewundere euch für eure Leistung.
Lebt ihr Inklusion auch in eurem Team bei Eye-Able?
Ja, unsere Schwerbehindertenquote liegt aktuell bei 30 %. In allen Abteilungen von Geschäftsführung bis Vertrieb arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen an unseren Zielen.
Was fehlt aus deiner Sicht heute noch für eine vollständige digitale Barrierefreiheit?
Das Grundthema ist die Awareness. Vielen ist gar nicht bewusst, dass ein großer Teil der Bevölkerung eine Behinderung hat, weil die Berührungspunkte fehlen. Bereits in der Schule werden Kinder mit Behinderung separiert.
Wir wollen das ändern. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung ein fester Bestandteil der Gesellschaft sind und Barrierefreiheit selbstverständlich wird. Bei Eye-Able tauschen wir uns mit der Bundesregierung und öffentlichen Behören aus und setzen uns stark für Inklusion ein.
Was ist für dich abseits des Digitalen wichtig beim Thema Barrierefreiheit und Inklusion?
Mobilität ist ein ganz wichtiges Thema für mich. Bei der Deutschen Bahn ist z.B. die App nicht barrierefrei, im Rollstuhl muss man oft ein paar Stationen weiterfahren, um aussteigen zu können. Auch die öffentlichen Dienste müssen nachbessern, sei es bei der baulichen Barrierefreiheit, um vor Ort einen Personalausweis zu holen, oder die digitale Barrierefreiheit bei der fortschreitenden Digitalisierung der Dienste.
Was ist deine Botschaft für den Tag der digitalen Barrierefreiheit am 16. Mai?
Digitale Barrierefreiheit funktioniert nicht aufgrund eines Gesetzes, sondern aufgrund der Vorteile, die das Gesetz mit sich bringt. Bestes Beispiel: Unternehmen mit barrierefreien Online-Shops erreichen mehr zahlende Kunden. Wenn wir das verstehen und umsetzen, bietet der European Accessibility Act einen echten Mehrwert – für alle Menschen.
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